Gewidmet meinen großartigen Freundinnen jeglichen Alters
Schon ganz schön alt. Oder doch nicht? Wahrnehmungen
- Vor Kurzem wurde ich mit zwei Urkunden vom Land Bayern und von der Stadt München dafür geehrt, dass ich nun schon über 25 Jahre im öffentlichen Dienst arbeite.
Aha, mir wäre es tatsächlich entgangen. Ein Vierteljahrhundert! Und davor lagen noch meine Ausbildung zur Buchhändlerin und mein elfsemestriges Studium …
Erinnerungen an die technische Steinzeit: In meiner Lehrzeit haben wir bei einem Großhändler die Bücher mit Fernschreiber bestellt; mit gelben langen Papierstreifen, auf die man erst den Text lochstanzen und die man dann durchtickern lassen musste. Die Buchkataloge waren extrem dicke Schmöker. In vor-Internetzeiten recherchierten wir in der Unibibliothek schon mit „Microfiche“-Lesegeräten, nicht nur mit Karteikarten in alten Kästen. Und für die Diplomarbeit hat sich eine Mitstudentin eine – immerhin elektrische und für ein paar Sätze programmierbare – Schreibmaschine gekauft. Ich durfte am elterlichen PC arbeiten und habe mir Word durch learning by doing beigebracht. In meiner ersten Zeit bei der Stadt München stand im Nebenraum ein Riesenmonster von Rechner, und wir mussten mit Word Perfect noch Steuerbefehle z.B. für Fettdruck schreiben; nix mit Maus und Anklicken.
- Jetzt habe ich einen rückengerechten höhenverstellbaren Schreibtisch im Büro und nicht nur eine Gleitsichtbrille, sondern sogar zwei.
Eine wie bisher für alles, aber nur mit kleinem „Lesefenster“, was ziemlich schnell zu heftigen Rückenverspannungen führt; eine zum Lesen und für die Bildschirmarbeit. Ein Lob auf diese wunderbar hilfreichen Erfindungen!
- Ich bin gerade 52 geworden.
Wenn ich in der Zeitung von 52jährigen lese, fällt mir das Klischee „älterer Mann“ bzw. „ältere Frau“ ein. Dann kommt die Erkenntnis: Oh, ich auch – ich fühle mich doch viel jünger … Den berühmten „Zenit“ habe ich definitiv überschritten. Ich muss akzeptieren, dass ich in der kürzeren Hälfte meines Lebens unterwegs bin. Schluck.
- „Mei, Du bist ja noch so jung“, sagen mir die Älteren.
- „Ich hätte Dich einige Jahre jünger geschätzt“, höre ich oft.
Danke! Eine Mischung aus „Glück gehabt“ mit vorteilhaften Genen, „ich tu auch was dafür“ und ernten dürfen, dass ich Schädigendes unterlassen habe.
- Ich fühle mich an Körper, Geist und Seele prächtig, freue mich des Lebens und mache mit Balance „mein Ding“.
In den 80er Jahren hätte man „Selbstverwirklichung“ dazu gesagt. Nun ja, da sind allerdings körperliche Zipperlein. Ich kann inzwischen gut verstehen, was der Satz meint, „Wenn Du über fünfzig bist und es tut nichts weh, wenn Du morgens aufwachst, bist Du tot“ … Und mein Hirn schwächelt zumindest beim Gedächtnis unangenehm oft …
So, ich nenne mich ab jetzt „mittelalt“. Ich hatte doch schon immer ein Faible für das Mittelalter.
Meine verliebten Freundinnen
Ich habe Freundinnen unterschiedlichen Alters, von fast zwanzig Jahren jünger bis zwanzig Jahre älter als ich. Wir sind uns Begleiterinnen, Beraterinnen und Unterstützerinnen in diversen Lebensphasen und –lagen, teilweise schon seit mehreren Jahrzehnte, teilweise auch erst ziemlich kurz. Normalerweise spielt unser Alter dabei keine Rolle. Aber vor einiger Zeit wurde mir deutlich, dass es sehr wohl Unterschiede gibt, und zwar bei unserer Lebensperspektive:
Zwei meiner Freundinnen – die eine Anfang 30, die andere Anfang 50 – waren gleichzeitig frisch verliebt und am Ausloten, wohin es mit der neuen Beziehung gehen wird. Beim jungen Paar ging es um die Themen Ausbildung abschließen (Weiterbildung, Promotion), Karriereeinstieg, Hauskauf, Kinderpläne, evtl. Wechsel ins Ausland. Beim älteren um Überlegungen, wie eine Fernbeziehung wegen der bestehenden Jobs funktionieren kann und wie lange beide noch voll arbeiten wollen oder müssen. Die Kinderfrage stellt sich nicht mehr, eher schon, wie man sich um die eigenen Eltern kümmern kann, falls die geistig oder körperlich abbauen sollten.
Viel drin im Erfahrungsrucksack
Die beiden ähnlichen (verliebt!) und doch so unterschiedlichen Geschichten meiner Freundinnen, haben mich dazu gebracht, mal zu überlegen, was ich in den letzten ca. zwanzig Jahren so alles erleben und miterleben durfte und musste, im Guten wie im Bösen.
Hier ein Einblick in die Geschichten meiner ca. gleichaltrigen mir nahestehenden Frauen inkl. mir selbst – eine Auswahl, ohne jetzt zu persönlich zu werden. Da war in verschiedenen Lebensbereichen sooo viel dabei …:
Beziehung und Familie: Belogen-, Betrogen- und Verlassenwerden, Trauer über nicht empfangene oder verlorene Babys („Sternenkinder“), neues Glück, Traumhochzeiten, Wunschkinder, ungeplante dennoch-Freudenkinder, sich leerendes Nest: Kinder gehen aus dem Haus, demente Eltern, älter werdende Beziehungen, …
Arbeit und Wohnen: Mobbingerfahrungen, Erschöpfungs- und Burnoutsyndrome, Frühverrentung aus gesundheitlichen Gründen, Dr.-Titel, Karrieren, Weiterbildungen, Arbeitsplatzverlust, Aufbau von haupt- und nebenberuflichen Selbstständigkeiten, Aus-, Um-, Ab- und auch Aufstiege, längere Zeit im „Erziehungsurlaub“ (wie Elternzeit damals hieß) daheim sein, Wohnungssuchen und Umzüge, Eigenbedarfskündigung, Rausziehen aus der Stadt aufs Land, …
Gesundheit und Aussehen: Wir kennen vorübergehende und auch chronische Beschwerden an unseren Schwachstellen von oben bis unten. „Iliosakralgelenk“ und „Osteopathie“ gehen uns inzwischen leicht über die Lippen, wir haben Tipps für Adressen guter PhysiotherapeutInnen. Wir erleiden Begleiterscheinungen des Kinderkriegens und Älterwerdens (sorry für die Deutlichkeit: Beckenbodenschwäche, Hängebrüste, Krampfadern, Falten, Bauchspeck, Hitzewallungen, graue Haare etc.). Wir wissen, wie wertvoll Hebammen und MasseurInnen sind. Wir erleben auch richtig schlimme Erkrankungen an Körper (Krebs) und Psyche (Depressionen, Essstörungen) bei uns oder im nahen Umfeld, vereinzelt sogar Todesfälle des eigenen Kindes, von Gleichaltrigen oder von Elternteilen. Wir haben Yoga/Pilates/Qigong/Meditation als Kraftquellen entdeckt. Einige von uns sind auf risikoärmere Sportarten umgestiegen (z.B. Langlaufen statt Abfahrtsskifahren) und schätzen zunehmend den Wert von Ent-Spannung statt Dauerpowern.
Ermutigung zu Midlife ohne Crisis
Ja, das alles und viel mehr durften wir erleben – wenn auch teilweise ungeplant! Älter werden wir von selbst, damit müssen wir klarkommen. Mit der Endlichkeit unserer Kräfte wurden wir auf die eine oder andere Art schon konfrontiert. Aber man kann es so oder so angehen …
Ihr wisst, dass ich eine Anhängerin davon bin, allen Erlebnissen, und seien sie noch so unangenehm und schlimm, einen Sinn abzugewinnen. Vieles ist eine Sache der Sichtweise! Und die können wir bewusst verändern. Eine meiner liebsten Selbststärkungsmethoden ist daher das „Reframing“, also wörtlich, Dingen einen neuen Rahmen zu geben. In meinen Seminaren nenne ich das auch „Die Brille wechseln“ – da ist sie also wieder, die Brille. Meine persönliche Abwandlung eines bekannten Reframing-Satzes:
„Wenn das Leben Dir Zitronen gibt, mach eine leckere Tarte au citron draus“.
Nach der Kuchenempfehlung nun mein „Beauty-Tipp des Tages“: Schönere Worte helfen, mit den unvermeidlichen Tatsachen besser klarzukommen. „Silberfäden“, „Hüftgold“ und „Lachfältchen“ machen doch gleich bessere Laune, oder? Sie bestärken eine positive Haltung und einen liebevolle(re)n Umgang mit sich selbst.
Was ist also der Gewinn all dieser Erfahrungen, die wir in unseren jeweiligen unsichtbaren Rucksäcken mit uns herumtragen? Sie haben uns reicher gemacht, weiser und verständnisvoller! Wir können mit uns selbst, anderen Menschen und dem Leben zunehmend besser umgehen. Wir nehmen vieles – auch unsere eigenen Stimmungsschwankungen- nicht mehr zuuuu ernst und sind unterwegs auf dem Weg zu mehr Gelassenheit.
Ich finde, auch hier passt meine neue Gleitsichtbrille als Symbol: Wir sorgen für uns und haben gelernt, genauer hinzuschauen, was uns gut tut. So wie ich in die passende Zweitbrille investiere statt Verspannungen zu bekommen. Alles andere darf auch mal ruhig in den Hintergrund treten, wenn wir uns auf etwas fokussieren – wir pflegen zunehmend Achtsamkeit im Hier & Jetzt. Wenn ich die Bildschirmbrille aufhabe, verschwimmt nämlich alles, was weiter weg und jetzt nicht wichtig ist.
Ganz klar: Meine Freundinnen und ich versuchen, uns gegenseitig gut zu tun und gemeinsam die Lebensmitte ohne Krise zu bewältigen. Dazu gehört übrigens, jeden unserer 50. Geburtstage groß zu feiern, meist mit Musik, Tanz, Gesang – und immer mit gutem Essen!
Sie sind großartige humorvolle, engagierte, aktive Frauen, die dankbar sind für ihre Erfahrungen, die offen, lernbereit und neugierig sind, die Lust haben, sich weiterzuentwickeln, die sich selbst mögen – und schlichtweg mit viel Lebensfreude in diese Welt wirken.
Eigentlich stoße ich dauernd auf solche tollen Frauen: Enge und entferntere Freundinnen, liebe Bekannte, Leserinnen, Klientinnen, Netzwerkpartnerinnen, … Was habe ich für ein Glück!
Übrigens: Dieser Aufsatz ist Teil meines dritten Buchs „Wechsle mal die Brille! Impulse und Methoden zur Selbststärkung im Alltag“, das im Oktober 2018 erschienen ist.
Und jetzt Ihr: Wie erlebt Ihr das Älterwerden, speziell „Ü50“ zu sein oder bald zu werden?
Die Streberin ist wild begeistert und lässt sich Mut-machen!
Das ist ja wunderbar, meine Liebe!
(Den anderen verrate ich hiermit, dass Du eine der „Jungen“ bist.)
Meine liebe Sandra,
ich danke Dir von ganzem Herzen für diese großartige Liebeserklärung an uns, Deine Freundinnen!! Was für ein Geschenk!!
Ich bin sehr glücklich, schon so viele, viele Jahre zu diesem Reigen der lebensfrohen, lustvollen Frauen an Deiner Seite gehören zu dürfen! Die meisten anderen kenne ich kaum, bin der einen oder anderen vielleicht bei Deiner wundervollen Feier zum Erscheinen Deines Buches begegnet. Aber Dein berührender Beitrag lässt diesen Reigen sehr eindrucksvoll vor meinem inneren Auge entstehen und ich fühle mich als Teil eines Netzwerkes, aus dem nicht nur durch Dich, aber über Dich Kraft und Freude, Liebe und Lebenslust zu mir fließen!
Meine Antwort auf Deine Frage: Ich habe richtig richtig viel Freude am Älterwerden! Geprägt durch eine liebevolle, aber stark kriegstrauma-tisierte Mutter habe ich viele, viele Jahre gebraucht, um wie bei einer Zwiebel fremdesbestimmtes Leben, fremdes Leid und fremde innere Dunkelheit Haut für Haut abzulegen um mein eigentliches, sehr licht-volles Wesen freizulegen. Heute gehe ich viel achtsamer mit meinem Körper und meinem Energiehaushalt um und kann mich deshalb über einen beschwerdefreieren Körper sowie eine stabilere Gesundheit freuen als in meiner Jugend und über 15 Kilo weniger Gewicht ;-). Ich mache alpine Bergtouren, die ich mir in meiner Jugend nicht getraut und die ich auch gar nicht bewältigt hätte. Vor 4 Jahren, mit 50 habe ich begonnen, Klettersteige zu besteigen, mit 52 startete meine Ausbildung zum systemischen Coach …. Ich habe noch nie so uneingeschränkt und kraftvoll „JA“ zu allen Aspekten und Bereichen meines Lebens gesagt wie heute als „mittelalte Frau“ ;-).
Das Schönste aber ist, dass diese Lebendigkeit, die körperliche und geistige Beweglichkeit nicht nur zunehmen mit dem Alter sondern mit einer Gelassenheit, Authentizität und Selbstbestimmtheit einhergehen, von denen ich in meiner Jugend nur geträumt habe. Falten? Sicher! Graue Haare? Klaro! Beckenboden? …. ;-)! Aber das ist ALLES so unwichtig, dass ich kaum einen Gedanken daran verschwende!!
Ich freue mich aus tiefstem Herzen auf jedes Jahr, das noch kommt und auf alle spannenden Sachen, die ich noch beginnen und erleben werden! Und ich freue mich darauf, weiter an Deiner Seite sein zu dürfen und in Deinem Herzen!
Deine ü50-Kassandra
Liebste Kassandra,
ich bin hingerissen und danke Dir sehr!! Deine Geschichte spricht so für sich selbst – was soll ich da noch sagen. Welche Ermutigung hoffentlich für viele andere!
Voll Dankbarkeit, dass wir uns gegenseitig durch unsere Ent-Wicklungen begleiten dürfen
Deine Sandra
PS: Ich bin gespannt, wann und ob wir je Deine weißen Haare sehen dürfen … Nur Mut!
Liebe Sandra,
danke für deinen tollen Beitrag zum Thema Älterwerden… ich nähere mich auch gerade in Riesenschritten dem 52er :)… und muss feststellen, dass ich mich in meinem Leben (und meiner Haut) immer wohler fühle… endlich angekommen… ein Fältchen mehr oder weniger – was spielt das für eine Rolle??? – es gibt so unendlich vieles noch zu entdecken und zu tun und gleichzeitig darf/kann auch vieles endlich (los-)gelassen werden… ich habe in letzter Zeit selber einige Texte zum Thema schreiben dürfen, finde/ lese auch immer mehr gute Bücher, Blogs und Beiträge dazu und merke, dass ich mich jedes mal gerne mit diesen neuen, spannenden Entwicklungen beschäftige… das schönste für mich: dabei immer wieder auf Gleichgesinnte, auf interessante, lebendige Menschen zu stoßen, die inspirieren und Mut machen… … danke dir für deine immer anregenden Impulse, die mir stets den Alltag versüßen :)… mit ganz herzlichen Grüßen aus der steirischen Landeshauptstadt Graz, Karin
Wie schön, liebe Karin, Dein Kommentar freut mich in jeder Hinsicht riesig! Ich danke Dir für Deinen Dank.
Ja, es ist wunderschön, auf Gleichgesinnte zu stoßen. Und auf Menschen mit ähnlichen Interessen: Tango argentino, schreiben/fotografieren/bloggen, Positive Psychologie, … sind ein paar Beispiele für uns beide, gell?
Herzliche Grüße aus der bayerischen in die steirische Landeshauptstadt – und viel Spaß beim Feiern Deines 52.!
Sandra
PS: Irgendwann schaffen wir’s, uns mal auch „im richtigen Leben“ und nicht nur „virtuell“ im Internet kennenzulernen, da bin ich optimistisch.
Was für ein schöner und aufbauender Beitrag 😚
LG Susanne
Dicken Dank, liebe Susanne! Dein Feedback baut wiederum mich auf.
Herzlich, Sandra
Liebe Sandra,
Noch vor einigen Jahren befand man sich in der „Best Ager“ Altersgruppe 50Plus im „Herbst des Lebens“. Heute würden sicher ganz viele unterschreiben, das sie sich gerade im „zweiten Frühling“ befinden. Oder? Wie wir uns in den Best Ager Jahren –also unseren besten Jahren fühlen, hängt natürlich vom subjektiven Empfinden und dem konkreten Verhalten der 50 Plus Generation ab.
Unser „gefühltes Alter“ hat sich in letzter Zeit rasend schnell verändert und sich weit vom tatsächlichen Alter entfernt.
Der heutige „Best Ager“, Ü50 oder 50Plus Mensch fühlt sich mindestens 10 Jahre jünger, als er tatsächlich ist. Also ich habe mich selten besser gefühlt!
Ganz liebe Grüße Simon aus der http://best-ager-lounge.com
Liebe Simone, danke für Deinen überzeugenden, schwungvollen Kommentar – dem ich voll und ganz zustimme.
Herzliche Grüße
Sandra, ebenfalls frühlingsbeflügelt (und beim Älterwerden übrigens bestens unterstützt durch meine „wahrhaft wahnsinnig wirksamen Wunderkapseln“ aus Obst, Gemüse und Beeren – vielleicht ein Tipp für Dich und Deine KlientInnen?)