Im ersten Teil meines langen Aufsatzes zu menschlichen Energievampiren habe ich dir gezeigt, was eigentlich hinter ihnen steckt (Stress), wie du sie dir erfolgreich vom Leib hältst („Halt“ sagen mit Haltung), wie du ihnen gelassen den Rücken zuwenden kannst und mit welcher Profikleidung du dich gut gegen sie schützt. Hier im zweiten Teil des Beitrags zeige ich dir Wege, wie du dich bei Ärger, Wut oder Angst wieder ins innere Gleichgewicht bringen kannst – drei typische Gefühle, die von Energievampiren ausgelöst werden. Fangen wir mit dem Ärger an.
„Mensch ärgere Dich nicht!“ Drei Tipps, wie du kräfteschonend mit Ärger umgehen kannst
Du sagst, „ich ärgere mich so“. Hmmm, wer ärgert hier eigentlich wen? Warum tust du dir das an? Alltagsweisheit: „Ärger macht alles ärger“! Ich habe hier drei bewährte Tipps für dich, wie du kräfteschonend mit Ärger umgehen kannst. Sie funktionieren alle durch Umdeuten (Fachbegriff „Reframing“):
Das Anti-Ärger-Interview
In meinem Aufsatz „Seelenbalancieren im Schnee“ habe ich anhand einer zertrampelten Loipe schon einmal aufgezeigt, wie mein „Anti-Ärger-Interview“ funktioniert. Lass es uns hier mit einem anderen Beispiel durchspielen, einem Stau auf der Autobahn. Du ärgerst dich, weil du nicht vorwärts kommst und in Gefahr bist, zu spät zu kommen. Du schimpfst vor dich hin und bist auf alle Menschen, die das verursacht haben, stinksauer. Alle blöd, alle gemein! Du merkst, wie du dich hineinsteigerst – und irgendwann raus willst aus dem Gefühlschaos. Also – Anti-Ärger-Interview:
Erstmal nimmst du einen tiefen Atemzug (Bodyfeedback!). Dann stellst du dir ein paar Fragen: Hast du gerade irgendeine Möglichkeit, der Situation zu entkommen? Nein, du hängst bis zur nächsten Ausfahrt fest. Hat da jemand bösartig gehandelt? Nein, es wäre wirklich übertrieben, das zu behaupten. Böswillig? Wohl auch nicht. Dumm? Na, wahrscheinlich; da hat wieder jemand unachtsam einen Unfall verursacht, auf einen Unfall gegafft oder die Spuren nicht gut eingehalten und damit Schnellere blockiert. Unwissend? Hmm, in diesem Fall eher nicht. Wollte jemand dir persönlich Schwierigkeiten machen? Nein, bestimmt nicht. Kannst du mit deinem Groll etwas an der Situation ändern? Äh …, nein …
Nun bist du bestimmt schon nicht mehr soo ärgerlich. Das Atmen und die gedankliche Distanzierung vom Ärger durch die Fragen haben dir geholfen. Hilft ja eh nix, also kannst du das Beste aus der Situation machen und die zwangsweise im Stau verbrachte Zeit nutzen: Lieblingsmusiksender, Hörbuch, Beckenbodenübungen, Zeit zum Nachdenken?
„Nicht ärgern, nur wundern!“
Eine andere Methode, mit Ärger umzugehen, ist die innere Haltung „ah, interessant – was gibt es nur für merkwürdige Menschen und Reaktionen“. Als Kurzformel: „Nicht ärgern, nur wundern!“
Dieser Gelassenheitssatz hilft dir, Dinge nicht so persönlich zu nehmen, z.B. wenn du unfreundlich angepflaumt wurdest. Denk an den Stress-Hormoncocktail, der vermutlich der Grund ist! Dieser Mensch hat sich womöglich bereits Stunden vorher über etwas ganz anderes geärgert und lässt nun seine schlechte Laune an dir aus. In den seltensten Fällen sind Menschen bösartig und wollen böswillig tatsächlich dir schaden. Meist sind sie nur unfähig, mit ihren negativen Gefühlen umzugehen. Wer entspannt unterwegs ist, schafft es, so jemandem ein „Na, heute wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden?“ zurückzugeben statt sich persönlich verletzt zu fühlen und ebenfalls in den Stressmodus zu gehen. Und um in ebendiese Entspannung zu kommen, hilft „Nicht ärgern, nur wundern!“.
Der Satz erleichtert auch, wenn man selbst schon gestresst ist und sich über seine Umwelt aufregt; ebenfalls eine Form von Ärger. Ein Beispiel aus der Großstadt: In der U-Bahn sieht man die unterschiedlichsten Frisuren, Piercings, Tattoos und Kleidungsstücke. Wenn dein Nervenkostüm schon dünn ist, kann es sein, dass du dich dabei ertappst, zu bewerten und innerlich zu lästern: „Wie kann man nur – das sieht ja furchtbar/spießig/hässlich/entstellend aus – eine Beleidigung für die Augen – eine Zumutung“ und so fort. Du nimmst also deine Mitmenschen als Angriff auf deinen Geschmack oder deine Vorstellungen wahr. Wenn dir auffällt, dass du immer negativer denkst und immer ärgerlicher wirst, hilft dir der Satz „Nicht ärgern, nur wundern!“ aus der Abwärtsspirale. Auch der Gedanke, „Mei, Meins wär’s nicht – aber ich muss das ja glücklicherweise nicht tragen“, unterstützt dich, dich abzugrenzen. Die anderen Menschen sind wie sie sind; das hat nichts mit dir zu tun. Sie wurden von dir unfreiwillig zu Energievampiren ernannt. Mach sie als Vamperl zu Objekten Deiner wissenschaftlichen Neugier!
Der Ärger-Termin
Nun noch ein kleiner Tipp, mit dem ich schon viele Coaching-Klient*innen freudig überrascht habe: Setze dir bei akutem Ärger einen Termin ein paar Stunden später in deinen Kalender: „5 Minuten ärgern.“ Schon beim Gedanken daran, musst du ein bisschen lächeln, stimmt’s? Und damit hast du dir bereits ein Stückchen aus deinem akuten Ärger herausgeholfen. Beim Termin wirst du merken, dass deine negativen Gefühle schon ziemlich verraucht sind.
So holst du dich aus deiner Wut
Nehmen wir an, du hast das Anti-Ärger-Programm übersprungen und dich über etwas so echauffiert, dass du regelrecht wütend bist. Du siehst rot, du möchtest am liebsten mit dem Fuß gegen etwas treten und den nächstbesten Menschen, der dir über den Weg läuft, anbrüllen – dir ist im Moment total egal, welche Folgen das alles hat!
Falls du später, wenn du wieder klar siehst, beschließt, dich künftig deinen Wutgefühlen nicht mehr so ausliefern zu wollen, habe ich auch hierfür Tipps. Üben musst du selbst, das ist klar.
Dass hinter deiner Wut „nur“ Deine Verteidigung gegen den Säbelzahntiger steckt, hast du inzwischen sicherlich herausgefunden. Irgendetwas oder irgendjemand in deiner Umgebung wirkt auf dein Inneres massiv bedrohlich. Du gehst in den Angriffsmodus, deine Hormone bereiten dich auf Schreien und Kämpfen vor, deine Muskeln wollen arbeiten, dein Denkhorizont verengt sich massiv. Wir müssen also als etwas finden, das dich ultimativ schnell aus deiner akuten Stresssituation holt.
Und da kommt wieder das Bodyfeedback ins Spiel: Ein tiefer Atemzug ist Erste Hilfe gegen Stress! Am besten verbindest du ihn wieder mit dem Gedanken „Ich atme ein, was ich brauche, ich atme aus, was ich nicht brauche“ (ANNAs Wundersatz für innere Balance, erinnerst du dich?)! Stattdessen kannst du auch zählen, z.B. langsam von zehn rückwärts. Damit verschiebst du hilfreich deine Aufmerksamkeit.
Um die Stresshormone, die dich peitschen, möglichst schnell abzubauen, brauchst du körperliche Bewegung. Manchen Menschen hilft es, einen Wutball zu kneten oder Kissen aufs Sofa zu pfeffern. Versuche, dich im Raum zu bewegen (Fenster öffnen?), gehe in den Waschraum oder noch besser Treppen auf und ab.
Wie gesagt, um dein Wutmuster zu ändern, musst du „Üben üben üben“ – übrigens ebenfalls einer von ANNAs Wundersätzen.
„Riddikulus!“ oder Wie du deiner Angst die Luft rauslässt
Das dritte anstrengende Gefühl, das Energievampire bei uns auslösen, ist Angst. Angst lähmt, sie macht sprichwörtlich dumm. Natürlich sind das ebenfalls typische Stressreaktionen wegen des „Säbelzahntigers“, und zwar die Flucht- sowie die passiv machende Totstellreaktion. Falls du in einer Prüfung schon einmal einen Black-Out hattest (mir ist das sogar zweimal passiert …), bist du Opfer dieses Mechanismus‘ geworden.
Ich will dir nun zeigen, wie du dir mit Lachen aus der Angst helfen kannst – so absurd das vielleicht erstmal für dich klingt. Aber denke an das Buch oder den Film „Der Name der Rose“. Dort lässt Umberto Eco in einem mittelalterlichen Kloster sogar Morde geschehen, um zu verhindern, dass ein verschollen geglaubtes Buch von Aristoteles über die Komödie öffentlich bekannt wird. Denn lachende Menschen lassen sich nicht so leicht unterdrücken, Humor verleiht Unabhängigkeit und dadurch Macht! Falls du es schaffst, zu lächeln oder gar zu lachen, nutzt du übrigens wiederum den Mechanismus „Bodyfeedback“, um dich aus dem Stress zu holen.
Fangen wir mit einem Witz an: „Mami, ich will nicht in die Schule gehen, die Lehrer und Schüler sind immer so gemein zu mir!“ „Nix da, stell dich nicht so an! Du gehst hin, du bist schließlich der Rektor.“
Angst vor Mitmenschen gibt es also nicht nur hierarchisch nach oben, sondern auch auf gleicher Ebene und, wie im Witz, nach unten. Wegen des Machtungleichgewichts dürfte es jedoch öfter vorkommen, dass Mitarbeiter*innen vor ihrer Führungskraft Angst haben als umgedreht. Um den übergroßen Respekt vor einschüchternd wirkenden, klassischerweise männlichen, Vorgesetzten zu verringern, gibt es schon lange den Tipp, „stell dir deinen Chef in Unterhosen vor“. Am besten in möglichst seltsamen, vielleicht riesengroßen, buntgemusterten.
Für das Prinzip „Chef in Unterhosen“ hat J.K. Rowling im dritten Band ihrer „Harry-Potter“-Serie eine wunderbare Veranschaulichung gefunden: „Riddikulus“. Das ist ein Zauberspruch, mit dem man der Verkörperung seiner Angst die Macht nimmt, indem man dafür sorgt, dass man über sie lachen muss. Auch dort findet sich ein Schüler-Lehrer-Beispiel: Harrys Freund Neville Longbottom wird im Unterricht angeleitet, sich zu überlegen, vor was oder wem er sich am meisten fürchtet. Ganz klar, vor dem Lehrer Severus Snape. Dann soll er sich etwas möglichst Absurdes ausdenken, das ganz und gar nicht zu dem Lehrer passt. Er wählt Hut und Handtasche seiner exzentrischen Großmutter. Als Übungsobjekt dient ein Irrwicht, ein Wesen, das sich in die jeweilige Angstfigur verwandelt. Neville schafft es, schlotternd den Zauberspruch „Riddikulus“ über die Lippen zu bringen und damit dem vermeintlichen Lehrer Snape die Ausstattung seiner Großmutter anzuzaubern. Der Irrwicht fühlt sich lächerlich gemacht – und verschwindet mit einem Knall. Tapferer Neville!
Eine andere Variante, um mit Angst vor einem Energievampir umzugehen, habe ich dir in meinem Aufsatz „Bleib locker!“ gezeigt: Dort erfährst du, was es Dir bringt, Dein Inneres Beraterteam zu befragen, um dich vor einer schwierigen Arbeitsbesprechung mit einer Führungskraft selbst zu stärken. Eines der Wesen, die ich dir empfehle auszuwählen, ist humorvoll-lustig (!), eines kindlich, eines alltagspraktisch-pragmatisch und eines weise. Am Ende der Beratung wird dir nicht mehr mulmig sein, sondern du wirst gestärkt und aufrecht in die Besprechung gehen.
Wichtige Schlussbemerkung: Hol dir Hilfe gegen die Vampire!
Falls dir meine psychologisch fundierten Selbstcoachingmethoden für deine Probleme/Konflikte mit Mitmenschen nicht hilfreich oder zu alltagsorientiert erscheinen: Bitte hole dir die Unterstützung einschlägig ausgebildeter Profis! Das können Coaches sein (z.B. um herauszufinden, ob Du noch einen „Okay-Job“ oder schon einen gesundheitsschädigenden „Gift-Job“ hast), Psychotherapeut*innen, Betriebsrät*innen, Mediator*innen, Mobbing- oder Partnerschafts-/Familien-/Lebensberater*innen. Je nachdem, was dein Thema ist und welche Emotionen dich belasten. Ich wünsche dir alles Gute dafür!
Übrigens: Dieser Aufsatz ist Teil meines dritten Buchs “Wechsle mal die Brille! Impulse und Methoden zur Selbststärkung im Alltag”, das im Oktober 2018 erschienen ist.
Übrigens II: Mit einer gelasseneren Grundhaltung gelingt es viel leichter, mit Energievampiren umzugehen. Hast du dir schon meinen Minikurs “Deine tägliche Routine für mehr Gelassenheit” geholt? Kostet dich nur einen Eintrag (E-Mail-Adresse).
Und jetzt du: Welche Erfahrungen hast du damit, dir aus unangenehmen Gefühlen im Zusammenhang mit Energievampiren zu helfen?