Gestern Abend war München im Ausnahmezustand: 2300 schwerbewaffnete PolizistInnen, x Hubschrauber, der ganze Nahverkehr gestoppt, der Bahnhof evakuiert, keine Taxis mehr, Bleibt-daheim-Empfehlung für die Bevölkerung … Lange galt „Akute Terrorlage“. Stundenlang war unklar, ob es einer oder mehrere Täter waren, ob sie rechtsextremen oder islamistischen Hintergrund hatten, wo sie mit ihren Waffen gerade sind, wieviele Tote und Verletzte es gab, …
Noch nie war ich an schlimmen Ereignissen so nah dran. Wie im November 2015 bei den schrecklichen Anschlägen in Paris, wo wir kurz davor gewesen waren, kann ich nicht anders, als hier auf meinem Blog ein paar persönliche Gedanken dazu zu schreiben.
Das Olympia-Einkaufszentrum ist nicht weit weg von uns. Ich war kurz nach 18.00 Uhr mit dem Radl an der Leopoldstraße unterwegs, als die Polizeiautos mit Sirenengeheul gerade begannen, en masse nach Norden an mir vorbeizufahren. Als die Sirenen nicht aufhörten und auch noch ungewöhnlich viele Hubschrauber über uns flogen, haben wir um 19.45 Uhr daheim den Fernseher eingeschaltet; gleichzeitig kam der erste Anruf, ob es uns gut gehe. Ein Freundespaar rief uns nach der Oper vom Handy aus an, die beiden hingen in München fest. Sie kamen zu Fuß zu uns und haben hier übernachtet. „Offene Tür“: eine schöne Gelegenheit, helfen zu können.
Inzwischen weiß man, dass es ein 18jähriger Einzeltäter war, der offenbar als Amoklauf neun Menschen plus sich erschossen und viele verletzt hat – fast alles sehr junge. Unter den Opfern könnten durchaus SchulkameradInnen unseres Kindes sein, zumindest sind es AltersgenossInnen. Meine traurigen und mitfühlenden Gedanken sind bei den Opfern und ihren Familien.
Mich hat an dem Horrorabend berührt, wie deutlich die menschlichen Bindungen wurden und wie solidarisch die Stadt zusammengerückt ist: Wie hilfsbereit sich AnwohnerInnen und Hotels gezeigt haben, „Gestrandete“ aufzunehmen. Wie schnell die Sicherheitskette auf Facebook genutzt wurde: Man konnte andere anfragen, ob sie „in Sicherheit“ seien und sich auch selbst so kennzeichnen. Ich habe besorgte Anrufe und SMS-Nachrichten bekommen, ob bei uns alles ok sei.
Carpe diem – pflücke den Tag. (Horaz)
Wir wissen nie, was kommt; ob wir unsere Lieben am Abend wiedersehen, ob wir selbst den nächsten Abend gesund erleben. Unfall, Herzinfarkt, Anschlag – es gibt x Gefahren und Risiken. Das Leben ist lebensgefährlich … Das vergessen wir viel zu oft.
Erst vor ein paar Tagen habe ich für mein neues Buch zu „Carpe diem“ geschrieben:
„Für mich bedeutet „Carpe diem“: „Nutze deine Zeit. Mach aus jedem Tag das Beste.“ Damit gehe ich optimistisch und neugierig in die nächsten 24 wertvollen Stunden und freue mich darauf, sie erleben, erfüllend gestalten und, wo möglich, genießen zu dürfen. Ja, Schlafen und Faulenzen gehören für mich auch dazu!“
Und auch, wertschätzend miteinander umgehen – anderen zeigen, dass man sie gern hat – zu versuchen, Gutes in die Welt zu tragen und täglich mitzuhelfen, sie schöner zu machen – für sich selbst gut sorgen, damit man Kraft für sich und andere hat: all das gehört für mich zu „Carpe diem“.
Nein, es passieren nicht dauernd nur lustige und nette Dinge, wahrlich nicht. Dennoch bin ich überzeugt, dass wir an einer positiven Grundhaltung und Lebenseinstellung festhalten müssen. Sonst haben „die anderen“ gewonnen.
PS: Zwei weitere meiner Blogartikel, in denen es um Carpe diem geht:
PPS: Auch meine Coach- und Bloggerkollegin Jutta Held hat gerade einen lesenwerten Artikel zu „Carpe diem“ veröffentlicht, mit dem wichtigen Hinweis, dass wir oft in die Wenn-dann-Falle gehen: „Erst wenn ich …, getan habe, gönne ich mir …“.
Wie recht Du hast, Sandra! Danke für diese wertvollen Gedanken in diesem Beitrag.
Herzlichen Dank, liebe Petra! Es tut, von Gleichgesinnten unterstützt zu werden.